Homöopathie bei psychischen Erkrankungen

«Kann die Homöopathie denn auch bei psychischen Problemen helfen?» ist eine relativ häufige Frage. Auch Leute die bereits eine homöopathische Behandlung für eine körperliche Krankheit hinter sich haben, sind diesbezüglich oft im Zweifel. Die Unklarheit ist verständlich, denn auch in der konventionellen Medizin nimmt die Psychiatrie zu den anderen, eher körperlich orientierten Fachgebieten, eine gesonderte Stellung ein. Das stärkt den Eindruck, die Gesundheit der Psyche habe wenig mit der des Körpers zu tun – ist dem so?

Die Homöopathie hat eine eigenständige Sicht auf Krankheit und Gesundheit:
Dem gesunden Organismus liegt ein inneres Gleichgewicht zugrunde, das durch eine optimale Regulation gewährleistet wird. Wenn, aus unterschiedlichen Gründen, Regulationsstörungen entstehen, gleitet der Organismus in ein Ungleichgewicht ab und erste Funktionsstörungen treten auf. Abhängig von den Lebensumständen und Konstitution entwickelt sich daraufhin früher oder später eine voll ausgeprägte Krankheit.

Jedes Organsystem, Organ, Gewebe und jede Zelle ist Teil des inneren Gleichgewichts. Die Psyche ist davon nicht ausgeschlossen, ob man ihren Sitz im Gehirn annimmt oder eher metaphysische Ansichten dazu hat, ist nebensächlich, denn die Praxis beweist die Verflechtung der Psyche und des Körpers in Krankheit und Gesundheit. Oft geht Krankheiten eine psychische Belastung voraus, ob akut (der Verlust eines geliebten Menschen) oder chronisch (die täglichen Sorgen um ein krankes Kind) – es ist eine fast alltägliche Beobachtung jedes ganzheitlich arbeitenden Therapeuten.
Weniger offensichtlich, doch ebenso verbreitet, ist das entgegengesetzte Phänomen: Eine durch physische Einflüsse verursachte Krankheit bedingt Veränderungen in der Psyche des Patienten (grosse Angst bei Fieber, zunehmende Reizbarkeit beim Fortschreiten einer chronischen Krankheit).

Auch die konventionelle Psychiatrie kennt den Zusammenhang von Körper und Psyche. Als die Beziehung bestimmter biochemischer Zustände im Gehirn mit Depressionen erkannt war, wurde die Entwicklung von Medikamenten zur Beeinflussung dieser Zustände möglich. So werden heute bei psychischen Krankheiten auch Psychopharmaka eingesetzt.

Die Homöopathie sieht jedoch nicht die lokalen Veränderungen an Organen und Geweben als die zu behandelnde Ursache für die Krankheit. Es ist die Störung der Regulation, und das daraufhin folgende Ungleichgewicht im Organismus, das die Grundursache der meisten Krankheiten darstellt. Das gilt gleichermassen für körperliche wie psychische Erkrankungen. Die Frage nach der Wirksamkeit der Homöopathie bei der Behandlung psychischer Krankheiten beantwortet sich daher direkt aus ihren Grundannahmen über Gesundheit und Krankheit. Wenn es bei einem psychisch erkrankten Menschen möglich ist, seine Regulationsstörung zu beheben und das Gleichgewicht wiederherzustellen, kann auch die psychische Krankheit behoben werden.

Voll entwickelte psychische Erkrankungen sind – im Gegensatz zu belastenden, aber nicht krankhaften psychischen Beschwerden – homöopathisch betrachtet schwere Krankheitszustände. Wenn die Psyche, die in der Hierarchie des Organismus eine ebenso hohe Stellung einnimmt wie die lebenswichtigen Organe, befallen ist, deutet das auf eine lange Krankheitsentwicklung oder eine schwache Konstitution hin. Daraus ergeben sich zwei wichtige Aspekte bei ihrer Behandlung:

  • Die Geschichte der Krankheit: Wo liegt der Beginn der Erkrankung und welche Umstände, Entwicklungen und Behandlungen folgten darauf? Besonders der manchmal viele Jahre zurückliegende Auslöser des gesamten Krankheitsverlaufs erweist sich häufig als der Schlüssel zur Behandlung.

  • Die Lebensumstände des Patienten: Die Umgebung eines psychisch erkrankten Menschen kann sowohl heilungsfördernd wie auch krankheitsunterhaltend sein. Eine individuelle und ganzheitliche Therapie muss diesen Umständen Rechnung tragen. Besonders geschwächte Konstitutionen können auf Einflüsse anfällig sein, die auf robustere Menschen keinerlei Auswirkungen haben und somit oft nicht als Belastung erkannt werden.
Die Homöopathie kann durch ihren Fokus auf tiefliegende Krankheitsursachen und ihre individuelle und ganzheitliche Betrachtung des erkrankten Patienten sowie seiner Umwelt auch bei psychischen Erkrankungen und Beschwerden viel bewirken. Das Ziel ist das Gleichgewicht aller Teile des Organismus, ob Körper oder Geist – gerade wenn es sich um die Gesundheit der Psyche handelt, steht Ausgeglichenheit an erster Stelle.