Was ist Homöopathie?

Die Homöopathie nimmt bei der Betrachtung von Krankheit und Gesundheit einen alternativen Blickwinkel ein. Wie sieht die konventionelle Sichtweise aus, wie beispielsweise in der Schulmedizin oder Phytotherapie, und wie unterscheidet sich die homöopathische Perspektive davon?

Konventionelle Behandlungsstrategien zielen meistens darauf ab, den unmittelbaren Krankheitsprozess hinter den Beschwerden zu identifizieren und zu beeinflussen.

Beispiel: Ein Patient leidet an Rötung der Haut mit Bläschenbildung und Juckreiz. Die Untersuchung stellt eine allergisch bedingte Entzündungsreaktion fest. Für die Behandlung werden entzündungshemmende Medikamente eingesetzt – das Resultat: die Entzündung lässt nach, Rötung, Bläschen und Juckreiz klingen ab.

Obwohl diese Strategie sehr erfolgreich sein kann, leisten ihr zahlreiche Krankheiten heftigen Widerstand. Insbesondere die chronischen Krankheiten zeigen die Grenzen dieser Vorgehensweise auf: Beschwerden werden gelindert, jedoch müssen dafür die dauerhafte Behandlung, Nebenwirkungen und das langsame Fortschreiten der Erkrankung in Kauf genommen werden.

Die dauerhafte Therapie ist notwendig, da die Beschwerden bei ihrem Abbruch wiederkehren würden. Gleichzeitig nimmt die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen mit der Dauer der Therapie (meist Medikamenteneinnahme) zu.
Da die Krankheit mit dieser Behandlungsstrategie nicht abheilt, sondern lediglich unter Kontrolle gehalten wird, schreitet sie in der Tiefe allmählich fort und erfordert daher früher oder später eine intensivere Therapie, meist in Form von häufigere Medikamenteneinnahmen oder dem Wechsel auf wirkungsvollere Medikamente.

Erst die alternative Betrachtungsweise von Krankheit und Gesundheit eröffnet eine neue Behandlungsstrategie mit der diese Probleme vermieden werden können. Dazu ist eine grundlegende Betrachtung der Natur des Menschen nötig. Der menschliche Organismus ist ein hochkomplexes natürliches System. Jedes System benötigt ein spezifisches inneres Gleichgewicht um seine Funktionen auch unter widrigen Umständen ausführen zu können. So ein harmonischer Zustand kann auch als Gesundheit bezeichnet werden.

Die Körpertemperatur, der ph-Wert des Blutes und der Puls und Blutdruck haben alle eng gesteckte Bereiche die für optimale Abläufe im gesamten Organismus unbedingt eingehalten werden müssen.

Ein Ungleichgewicht im System führt bald zu Störungen der Abläufe in den unterschiedlichsten Organsystemen und schliesslich zu spür- und sichtbaren Beschwerden – der Krankheit. Somit existiert ein Faktor in der Entstehung von Krankheiten, der hinter dem Krankheitsprozess und seinen Folgen liegt.


Bei einem ungleichmässig beladenen Schiff zeigt sich das Ungleichgewicht als Schlagseite – im menschlichen Körper als Krankheit.


Um Ungleichgewichte zu verhindern, besitzt der menschliche Organismus die Funktion der Regulation – er sammelt und verarbeitet Informationen über das Körperinnere sowie die Umgebung unablässig und ergreift, falls nötig, Massnahmen um jeglicher Destabilisierung entgegenzuwirken. Mit einer optimal funktionierenden Regulation bewahrt der Mensch unter allen Umständen, mit Ausnahme der extremsten, sein gesundes Gleichgewicht.


Alle Organsysteme mit ihren Organen, Geweben und Zellen kommunizieren untereinander und bilden ein Netzwerk aus Netzwerken. Hier ist eine sehr komplexe Regulation gefragt.


Wie man an der Allgegenwärtigkeit von Krankheiten feststellen kann, scheint die Regulation häufig nicht optimal zu funktionieren. Die Erklärung dafür findet sich in der Störungsanfälligkeit der Regulation selbst. Zahlreiche Einflüsse wie traumatische oder langanhaltende äussere Belastungen sowie Erbanlagen können zu bleibenden Regulationsstörungen führen. Es erscheint daher logisch, zur Behandlung von Krankheiten (mit dem Ziel dauerhafter Gesundheit) die gestörte Regulation zu behandeln.

Hier steht man jedoch vor einem Problem. Da die Regulation keinen diskreten Teil des Organismus darstellt, sondern das dynamische Verhalten aller Organe, Gewebe und Zellen, kann sie nicht wie ein Organ oder Gewebe untersucht werden. Wie soll man etwas behandeln ohne eine Diagnose stellen zu können?

Störungen der Regulation können mit konventionellen Methoden wie bildgebenden Verfahren oder Laboruntersuchungen in der Tat nicht wahrgenommen werden. Wenn man hingegen die konkreten Beschwerden selbst näher untersucht – die Symptome und Zeichen der Krankheit – finden sich sehr bald deutliche Hinweise auf die Natur der Regulationsstörung.

Die erfolglosen Versuche der Regulation das Gleichgewicht wiederherzustellen, zeigen sich in den individuellen Eigenheiten der Krankheit. Diese Eigenheiten sind bei unterschiedlichen Patienten, auch wenn sie dieselbe Krankheit aufweisen, individuell.

Die Homöopathie arbeitet mit diesen Hinweisen und hat Werkzeuge zu ihrer Interpretation entwickelt. Durch die detaillierte Aufnahme und Analyse der individuellen Symptome und Zeichen des Patienten wird eine Diagnose der Regulationsstörung möglich.

Die Homöopathie verfügt über die Mittel auf Regulationsstörungen einzuwirken – die homöopathischen Arzneimittel. Das zur spezifischen Regulationsstörung exakt passende Arzneimittel neutralisiert die Regulationsstörung und ermöglicht dem Organismus in Folge sein Gleichgewicht wiederherzustellen.

Wie sieht die praktische Umsetzung konkret aus?

Da Symptome und Zeichen das Einzige sind, was von einer Regulationsstörung im Organismus wahrgenommen werden kann, beginnt in der Homöopathie jede Behandlung mit der detaillierten Erhebung aller individuellen Symptome und Zeichen des Patienten.

Der Organismus versucht stets sein Gleichgewicht zu bewahren, auch wenn eine Krankheit bereits entstanden ist. Diese Kompensationsversuche unterscheiden sich je nach Natur der vorherrschenden Regulationsstörung voneinander – das reflektiert sich in der Individualität der Krankheit.

Ein Hautausschlag der ausschliesslich die Gelenkbeugen befällt – auffallende Lokalisierung;
Das ausgeprägte Gefühl von Schwere der Eingeweide bei Menstruationsbeschwerden – ungewöhnliche Empfindung;
Asthma das sich bei trockenem Wetter nachlässt und bei feuchtem Wetter intensiviert – sonderlicher Umstand der Verschlimmerung bzw. Besserung.

Selbst wenn zwei Patienten dieselbe (schulmedizinische) Diagnose erhalten haben, wird sich ihre Krankheit in bestimmten Details voneinander unterscheiden.

Während die Migräne bei einer Patientin morgens um 5 Uhr am schlimmsten sind, der Schmerz sich vor allem über dem linken Auge festsetzt und sie das Gefühl hat, ihr Kopf würde in einer Schraubzwinge stecken, hat ein anderer Patient das Gefühl einen Nagel in die rechte Seite des Kopfes gestossen zu bekommen, was häufig nachts und immer bei Vollmond vorkommt.

Regulationsstörungen sind potenziell in der Lage, in jedem Bereich des Organismus (einschliesslich der Psyche) Beschwerden hervorzurufen. In der Tat leiden Menschen selten an einer Krankheit bei ansonsten vollständiger Gesundheit. Alle Beschwerden sind Hinweise auf die zugrundeliegende Regulationsstörung und ihre ganzheitliche Betrachtung deutet auf die Natur der Störung hin. Dazu gehört auch die lebenslange Neigung zu bestimmten Erkrankungen, sogenannte «Schwachpunkte».

Der Asthmatiker mit seinen seit der Jugend bestehenden Kopfschmerzen und Schlafstörungen, die Rheumatikerin mit ihrer trägen Verdauung und grossen Empfindlichkeit auf Geräusche oder das hyperaktive Kind mit Tobsuchtsanfällen und rezidivierenden Ekzemen – sie alle scheinen an unzusammenhängenden Beschwerden zu leiden und doch steckt jeweils nur eine Regulationsstörung dahinter.

Erst die in Tiefe (individuell) und Weite (ganzheitlich) ausgedehnte Fallaufnahme fördert das Bild und die Natur der im Inneren des Organismus herrschenden Regulationsstörung hervor.

Hier kommen die homöopathischen Arzneimittel in Spiel. Bei ihrer Verarbeitung verlieren die Ausgangsstoffe (vorwiegend pflanzliche und mineralische Substanzen) ihre biochemischen Effekte und erlangen im Gegenzug die spezifischen Wirkungen auf Regulationsstörungen im menschlichen Organismus.


Homöopathische Arzneimittel werden in einem besonderen Verfahren hergestellt und wirken direkt auf Regulationsstörungen.


Jedes homöopathische Arzneimittel besitzt ein sogenanntes Arzneimittelbild. Es beinhaltet alle Indikationen, in Form von Symptomen und Zeichen, die nötig sind, um es bei einer bestimmten Regulationsstörung einzusetzen.

Arzneimittelbilder sind sehr umfangreich und ähneln einander häufig. Daher ist eine genaue Fallaufnahme und Fallbearbeitung nötig, um sie korrekt zu differenzieren.

Wenn das Beschwerdebild eines Patienten dem Arzneimittelbild exakt entspricht, wird das Arzneimittel die Regulationsstörung neutralisieren und das innere Gleichgewicht des Organismus wiederherstellen. Daraufhin verschwinden alle Beschwerden, die auf dem Boden dieses Ungleichgewichts entstanden sind.

Ein Patient präsentiert sich mit rheumatoider Arthritis, besonders der Gelenke der rechten Körperseite, die nachmittags besonders schmerzhaft sind. Ferner neigt er zu Nierensteinen und -koliken, hat Verdauungsbeschwerden mit Blähungen die sich durch warme Nahrung und Getränke bessern. Dazu gesellen sich noch weitere Beschwerden.

Das Arzneimittelbild von «Lycopodium» – ein relativ häufig eingesetztes Arzneimittel – umfasst u.A. die folgenden Symptome und Zeichen: Rechtsseitigkeit der meisten Beschwerden; Verschlechterung der meisten Beschwerden von 16 bis 20 Uhr; Verbesserung der Magen-Darm-Beschwerden durch Wärme (äussere Anwendungen, Nahrung, Getränke); Magen-Darm-Beschwerden werden von Blähungen und Flatulenz begleitet; häufig indiziert bei Nierenbeschwerden im Allgemeinen und Nierensteinen im Speziellen.

Die genaue Analyse und Beurteilung der weiteren Symptome und Zeichen bei Patient sowie Arzneimittelbild führt schliesslich zur Verschreibung des passendsten Mittels.
Bemerkung: obwohl die Erfahrung wiederholt gezeigt hat, dass Lycopodium Fälle von rheumatoider Arthritis heilen kann, führt hier weder die Diagnose, noch die bei jedem an dieser Krankheit erkrankten Patienten vorhandenen Symptome und Zeichen zum passenden Mittel (überwärmte, schmerzhafte Gelenke etc.). Die Symptome und Zeichen die den individuellen Patienten von einem Anderen unterscheiden – der bevorzugte Befall der rechten Körperseite, die begleitenden Verdauungsbeschwerden usw. – führen in ihrer Individualität und Ganzheitlichkeit zum Heilmittel.


Durch die praktische Anwendung einer auf Gleichgewicht und Ungleichgewicht, Regulation und Dysregulation basierenden Betrachtungsweise von Krankheit und Gesundheit, kann die Homöopathie den Krankheitsprozess bei akuten als auch bei chronischen Erkrankungen stoppen und den menschlichen Organismus dadurch zu dauerhafter Gesundheit führen.